Nachdem Sie das zentralen Portal der Bibliothek durchschritten haben, können Sie nun die reichhaltige Doppeltreppe aufsteigen. Sie ist ein Kleinod der venezianischen Architektur und Dekoration im späten venezianischen Renaissance. Wenn Sie sich in Höhe des Treppenabsatzes befinden, blicken Sie nach oben, wo Sie eine zauberhafte kleine Kuppel in kostbarem weißem und goldfarbenem Stuck sehen, der sich mit Fresken im klassischen Stil abwechselt.
Am Ende der Treppe sind Sie im Atrium angekommen. In dem Achteck in der Mitte der Decke können Sie ein Meisterwerk des großen Malers Tizian bewundern: Das Bild der Weisheit, die auf den Wolken fliegt. Dieses leuchtende Bild stellt einen Moment der Unbeschwertheit der reiferen Tätigkeit des großen Meisters dar, der zu dem Zeitpunkt fast siebzig Jahre alt war.
Im prächtigen Hauptsaal sollten Sie sich die wundervolle Decke nicht entgehen lassen, die unter Beteiligung von sieben Malern realisiert wurde. Sie wird Ihnen wie eine Art Kollektivausstellung der jungen venezianischen Talente kurz nach der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts vorkommen. Jedem Maler wurden drei „Kreise“ zugewiesen und diese Rundgemälde wurden für jeden in ganz genau gleicher Höhe vergütet. Tizian wurde als Schiedsrichter berufen und er beschloss, den noch keine 30 Jahre alten Paolo Veronese mit einer goldenen Halskette zu belohnen.
Um die drei Gemälde von Paolo Veronese zu finden, müssen Sie die sechste und vorletzte Reihe von Kreisen suchen. Der Künstler befand sich noch am Anfang seiner venezianischen Karriere und dieser Sieg markierte für ihn den entscheidenden Wendepunkt. Der Maler wird für seine leuchtenden Farben geschätzt, aber auch und vor allem für seine Fähigkeit, die Perspektive der Gestalten zu meistern, die von unten nach oben betrachtet werden sollen, so wie Sie es in diesem Moment tun!
NEBENBEI: Damit Sie eine Vorstellung davon bekommen, wie spitzfindig die Kulturpolitik der Serenissima gewesen ist, sollten Sie wissen, dass zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein Gesetz in Kraft trat, dass jeden venezianischen Buchdrucker verpflichtete, hier eine Kopie eines jeden Buchs zu hinterlegen, dass über seine Druckerei herauskam. Dadurch ist die Marciana die institutionelle Bibliothek der Republik Venedig geworden.